Der Nachweis des Erbrechts ist auch ohne einen Erbschein möglich


Der Nachweis des Erbrechts ist auch ohne einen Erbschein möglich
Notar a.D. und RA H.-D. Meyer
Wilhelmshavener_Zeitung_Recht_23-09-2016.pdf (225.83KB)
Der Nachweis des Erbrechts ist auch ohne einen Erbschein möglich
Notar a.D. und RA H.-D. Meyer
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VON HANS-DIETER MEYER

WILHELMSHAVEN – Nachdem der BGH bereits mit Urteil vom 8.10.2013 (XI ZR 401/12) auf die Klage  eines Verbraucherschutzverbandes bestätigt hatte, dass die AGB-Klausel der Sparkassen unwirksam ist, wonach es in das Ermessen der Sparkassen gestellt war, die Verfügung der Erben über Nachlasskonten von der Vorlage eines Erbschein abhängig zu machen, hat der BGH mit einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 5.4.2016 (XI ZR 440/15) eine Sparkasse verurteilt, die unnötigen Kosten eines zu Unrecht verlangten Erbscheins zu erstatten.

Keine pauschale Pflicht zum Beantragen eines Erbscheins.

Der BGH hat festgestellt, dass die AGB-Klausel die Verbraucher benachteilige, da keine gesetzliche Pflicht bestehe, das Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen. Zwar bestätigte der BGH das Interesse der Banken, sich vor der mehrfachen Inanspruchnahme durch weitere -vermeintliche- Erben zu schützen. 

Vorrangig sei jedoch das Interesse der Erben an einem schnellen Zugriff auf die Nachlasskonten ohne langwieriges und teures Erbscheinsverfahren. 

Dies gelte jedenfalls dann, wenn das Erbrecht unproblematisch nachzuweisen ist, so dass ein Erbschein nur in begründeten Zweifelsfällen verlangt werden darf. Dem aktuellen Urteil lag ein handschriftliches Ehegattentestament der Eltern zugrunde, die sich gegenseitig als Erben eingesetzt und die beiden Kinder nach dem Tod des Längstlebenden als Erben zu je ½ bestimmt hatten (§ 2269 BGB, sog. „Berliner Testament“). Enthalten war zudem die übliche Pflichtteilsstrafklausel, wonach ein Kind, welches nachdem Tod des ersten Elternteils den Pflichtteil verlangt, das vorgenannte Erbrecht verliert. Nach dem länger zurückliegenden Tod des Vaters war nunmehr die Mutter verstorben.

Der Sparkasse genügte nicht die Vorlage des Testaments mit dem amtlichen Eröffnungsprotokoll des zuständigen Nachlassgerichts. Vielmehr verlangte sie einen Erbschein zunächst mit der völlig abwegigen Begründung, es sei nur ein „Vermächtnis“ angeordnet. Danach folgte die Begründung, ein handschriftliches Testament könne immer gefälscht sein. Später erfolgte dann der Sparkassen-Hinweis, dass unter Umständen ein Kind durch Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen als Erbe ausgeschieden sei. Nachdem die Kinder notgedrungen einen Erbschein beantragen mussten, haben alle Vorinstanzen und der BGH die Sparkasse verurteilt, die unnötigen Kosten des Erbscheinsverfahrens in Höhe von etwa 1800 Euro sowie alle Verfahrenskosten den Kindern zu erstatten.

Nur bei konkreten und begründeten Zweifeln an der Richtigkeit einer mit der beglaubigten Abschrift des gerichtlichen Eröffnungsprotokolls vorgelegten beglaubigten Kopie des handschriftlichen Testaments darf eine Bank oder Sparkasse einen Erbschein verlangen. Hier lagen aber keine konkreten Zweifel an der Echtheit des der Bank bereits seit dem Tod des Vaters bekannten Testaments vor. Für das Sicherheitsbedürfnis hätte eine einfache form- und kostenlose eidesstattliche Erklärung der Kinder gereicht, dass keine Pflichtteilsansprüche nach dem Tod des erstverstorbenen Elternteils geltend gemacht wurden. Somit hat die Sparkasse gegen die ihr aus den Kontoverträgen obliegende Leistungspflicht schuldhaft verstoßen, indem sie die Freigabe der Konten von der Vorlage eines Erbscheins abhängig gemacht hat.

H.-D. Meyer ist seit 49 Jahren Rechtsanwalt in Wilhelmshaven. FOTO: MEYER/P.

Der Artikel ist in der Wilhelmshavener Zeitung vom 23. September 2016 veröffentlicht worden.



 


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